Allgemeine Öffentlichkeitsarbeit:
Herr Prof. Dr. Careglio, in einem Artikel, der im Oktober 2020 im Trierischen Volksfreund veröffentlich wurde, haben Sie über den zukünftigen gesundheitlichen Trend im Süßwarenbereich berichtet. Warum werden wir zur Weihnachtszeit nur wenige zucker- oder fettreduzierte Süßwaren im Markt finden?
Prof. Dr. Enrico Careglio:
Die Schwierigkeit, die sich für die Produktentwicklung darstellt ist, den „eigentlichen Genusswert“ einer Süßware unter Beachtung des gesundheitlichen Trends sensorisch in Einklang zu bringen. Letztendlich sollen die Süßwaren keiner großen Diversität im Geschmack zu herkömmlichen Produkten unterliegen. Nicht zu vergessen ist der psychologische Effekt beim Essen einer Süßware, vom Gefühl, „sich selbst zu verwöhnen“. Dabei werden nur wenige Kompromisse hinsichtlich eines sensorischen Profils eingegangen. Zudem enthalten dunkle Schokoladensorten Stoffe, die das Belohnungssystem in unserem Hirn stimulieren, wie das Serotonin (Neurotransmitter), welches für gute Laune sorgt sowie geringe Mengen des Glückshormons Phenylethylamin, Anandamid und der Eiweißbaustein Trytophan, die beide als Stimmungsaufheller gelten. Die Kakaobohnen enthalten auch das koffeinähnliche Theobromin (Diuretische Wirkung), das ebenfalls einen leicht anregenden und stimmungsaufhellenden Effektaufweist. Zuletzt sollten auch die Polyphenole (Epicatechin) in Schokoladensorten mit einem hohen Kakaoanteil genannt werden, die eine starke antioxidative Wirkung besitzen.
Dennoch ist die Süßwarenindustrie bestrebt, technologische und rezepturtechnische Lösungsansätze zu verfolgen, um u.a. den Gesamtkaloriengehalt zu reduzieren. Die Fachrichtung Lebensmitteltechnik steht in den fachlichen Fragstellungen mit internationalen universitären Kooperationspartnern (USA und Kanada) in Kontakt. Im Bereich der Süßwarentechnologie sind unsere Studierenden im Rahmen von Abschlussarbeiten an den Forschungsprojekten beteiligt.
Allgemeine Öffentlichkeitsarbeit:
Die Weihnachzeit führt zu einem vermehrten Kauf an Süßwaren in allen Variationen. Besonders werden schokolierte Produkte gekauft, die in der Weihnachtszeit nicht wegzudenken sind. Wie kann der Verbraucher eine qualitativ hochwertige Schokolade erkennen?
Prof. Dr. Enrico Careglio:
Bei der Auswahl einer Schokoladensorte sollte zunächst die Zutatenliste begutachtet werden. Der qualitätsbestimmende Rohstoff ist die Kakaomasse. Je höher der Kakaoanteil ist, um so hochwertiger ist eine Schokoladensorte. Der Hinweis auf eine bestimmte Kakaosorte (Criollo, Forastero und Trinitario) zeichnet die Qualität einer Kakaosorte aus. Der Criollo-Kakao (Edelkakao) stellt eine sehr hochwertige Sorte dar, die besonders intensiv im Aromaprofil, aber selten auf dem Süßwarenmarkt zu finden ist.
Sollte die Wahl auf eine Vollmilchschokolade fallen, dann ist die Art des verwendeten Milchpulvers von Bedeutung. Das Vollmilchpulver kann durch Magermilchpulver und Butterreinfett oder mit Süßmolkenpulver ersetzt werden, was eine Vollmilchschokoladenrezeptur qualitativ mindern kann.
Beim Auspacken einer Schokoladentafel, Schoko-Riegel, Praline oder Weihnachtsfiguren sollte auf den Glanz der Schokolade geachtet werden. Der Glanzeffekt deutet auf eine korrekte Temperierung der Schokolade hin, die sich durch die Bildung der erwünschten Kristallisationsform (-V) der Kakaobutter äußert. Durch die richtige Kristallstruktur der Kakaobutter werden die erwünschten sensorischen Eigenschaften erreicht, welche einen Einfluss auf die Textur (Knackigkeit), Abschmelzverhalten und Haltbarkeit einnehmen. Zudem wird der Fettreifprozess auf der Schokolade verhindert, der sich als weiße Flecken auf der Schokoladenoberfläche widerspiegelt.
Die Oberfläche der Süßwaren sollten gut ausgeformt und keine visuellen Fehler wie zum Beispiel Rillen/Risse, Blasen, ungleichmäßige Wandstärke bei Pralinen, offene Schweißnaht an den Weihnachtsfiguren erkennbar sein, die auf einen Fehler im Produktionsprozess hindeuten. Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG), für die ich als leitender Prüfbevollmächtigter deutschlandweit Süßwaren teste, fasst die auftretenden Fehler in einem Katalog mit über 100 Fehlermerkmalen zusammen.
Der Geschmack einer Schokolade wird durch die Kakaosorte, Fermentationsvorgang (Bildung stickstoffhaltiger Aromavorstufen), Röstung (Senkung des Gerbstoffgehaltes, Bildung von Aroma- und Farbstoffen) und Bearbeitung wie der Conchierprozess (Entfernung niedermolekularer, wasserdampfflüchtige Stoffe, Einstellung der rheologischen Eigenschaften) während der Herstellung definiert. Dabei variieren die Parameter je nach Hersteller, die zur Ausprägung unterschiedlicher sensorischer Profile führen, die zur Bevorzugung einer bestimmten Schokoladenmarke führen.
Allgemeine Öffentlichkeitsarbeit:
Die traditionelle Backzeit hat begonnen, in der sich Generationen und Familienmitglieder in der Küche treffen, um ihre Weihnachtsleckereien zu backen. Was raten Sie als Süßwarenexperte, kann das Weihnachtsgebäck auch gesünder hergestellt werden?
Prof. Dr. Enrico Careglio:
Im Gegensatz zur industriellen Herstellung können im eigenen Haushalt einfacher gesundheitlich ausgerichtete Rezepturen hergestellt werden.
In der Industrie ist die Übertragung von Laborrezepturen auf eine industrielle Großanlage mit technischen/technologischen Hürden auferlegt, die eine Umsetzbarkeit von Rezepturen aus dem Versuchslabor oftmals einschränken („Up-Scaling“).
Anbei habe ich einige Empfehlungen zusammengetragen, die im Haushaltsbacken umgesetzt werden können:
An dieser Stelle habe ich nur einige Rohstoffalternativen benannt, die zu einer gesundheitlich verbesserten Rezeptur beitragen können.
Allgemeine Öffentlichkeitsarbeit:
Die letzte Frage richtet sich nach Ihren bevorzugten Weihnachtsrezepturen. Mit welchen süßen Vorlieben werden Sie die Weihnachtszeit mit Ihrer Familie genießen?
Prof. Dr. Enrico Careglio:
In der Vorweihnachtszeit werden wir das typische Weihnachtgebäck (Zimtsterne, Kokosmakronen oder Vanillekipferl) mit der Familie backen unter der Zuhilfenahme einiger der o.g. Rohstoffalternativen.
Vielleicht werden meine erwachsenen Töchter eigene Pralinen mit diversen Füllungen herstellen, die wir an unsere Familie und Verwandtschaft verschenken. Ich hoffe, dass nicht wieder die Mikrowelle zum Einsatz kommen wird, die für das Aufschmelzen der Schokolade (Kristallform der Kakaobutter) ein „no-go“ ist. Da eignet sich ein warmes Wasserbad zum langsamen Aufschmelzen der Schokomasse in einer Schüssel besser.
Zum Schluss darf der Panettone nicht fehlen, mit dem wir zu Silvester mit einem Glas Sekt auf ein für uns alle hoffentlich besseres Jahr anstoßen werden!
Fußnote zum Titel: Die ursprüngliche Version des Titels „Qualitativ hochwertige und gesunde Süßwaren zur Weihnachtszeit“ wurde überschrieben, um etwaigen, missverständlichen Interpretationen bezüglich des Gesundheitsfaktors bei Süßwarenartikeln vorzubeugen.
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