Dauer des Aufenthalts: August 2016 bis Januar 2017 (Wintersemester 16/17); Studienfach: Informatik, Ba
Schon seit einigen Semestern hatte ich den Traum, ein oder zwei im Ausland zu studieren. Dabei kamen mir immer wieder Zweifel, ob ich dafür Zeit im Studienablauf finden würde und ob ich die Organisation schaffen würde. Dazu kamen finanzielle Bedenken und die Angst vor der Fremde. Einige Informationsveranstaltungen, Gespräche mit Freunden und Prospekte später entschloss ich mich schließlich, es zu wagen. Und um es vorwegzunehmen: Es hat sich sehr gelohnt!
Die Universität Montpellier ist einige Jahrhunderte alt und hat ca. 45.000 Studierende. Zusammen mit anderen Hochschulen leben in Montpellier ca. 60.000 Studierende. Die Universität ist dezentral mit mehreren Verwaltungen und Restaurants. Meine hier geschilderten Erfahrungen beziehen sich auf die "Faculté des Sciences", also die Wissenschaftsfakultät, genauer den Fachbereich Informatik.
Glücklicherweise gibt es ein großes Angebot an Kursen, für die 5 ECTS angeboten werden und die mindestens als Wahlpflichtfach angerechnet werden können. Deshalb empfehle ich, sich für das Auslandssemester Wahlpflichtfächer aufzuheben. Die Kurse sind durchweg in französischer Sprache und es gibt wenige englischsprachige oder ausländische Studierende, was je nach Sprachkenntnis gewisse Schwierigkeiten birgt. Dozenten und Kommilitonen sind aber sehr hilfsbereit. Außerdem bietet ein wissenschaftliches Fach den Vorteil, dass Formeln und Fachbegriffe oft international verstanden werden. In den meisten Fächern herrscht ein gutes Lernklima. Es gibt fast immer Skripte, sei es in gedruckter oder digitaler Form von den Dozenten. In den Übungen wird man gut betreut und Fragen werden nach bestem Gewissen behandelt. Trotzdem ist der Arbeitsaufwand recht hoch, gerade in einer fremden Sprache. Ich habe an vier Kursen teilgenommen und muss sagen, dass dies bereits ein recht hoher, aber machbarer Aufwand war. In den Kursen werden oft kleinere Gruppenprojekte bearbeitet, wobei man Studierende mit den unterschiedlichsten Wurzeln und Arbeitsweisen kennenlernt. Diese Gruppen waren für mein Studium mit die beste und wichtigste Erfahrung.
Die Gebäude sind mehr oder weniger zeitgemäß ausgestattet. So sind die Möbel und Klimatisation zum Teil sehr marode. Computer und Arbeitsmaterial hingegen sind ausreichen und in guter Qualität vorhanden. So können virtuelle Maschinen zur Arbeit in Echtzeit von zuhause verwendet werden. Auf dem Campus der Wissenschaftsfakultät befindet sich eine große Bibliothek mit vielen sehr guten Arbeitsplätzen und großer Auswahl an Literatur. Die Verwaltung und die Zuständigen für internationale Studenten sind stets hilfbereit. Leider müssen oft für Frankreich typische bürokratische Hürden überwunden werden, sobald persönlicher Kontakt nicht möglich ist oder nicht ausreicht. Dazu zählt z.B. die Einschreibung an der Universität. Man wird als regulärer Student eingeschrieben und hat Zugriff auf mit "QIS" und "StudIP" vergleichbare Portale.
Aus der Region hat man viele Möglichkeiten, die Stadt Montpellier zu erreichen. Vom Flughafen Frankfurt Hahn fliegt RyanAir direkt nach Montpellier-Stadt oder nach zu sehr günstigen Preisen von ca. 30 € ohne und 60 € mit Gepäck. Dies gilt nur für die Tourismus-Saison von März bis Oktober. Alternativ kann man auch ins nahe gelegene Toulouse oder nach Lyon fliegen. Auch außerhalb der Saison kommt man bequem ans Ziel. Das sehr gut ausgebaute TGV- Netz Frankreichs bietet eine Direktverbindung von Luxemburg über Strasbourg nach Montpellier ohne Umweg über Paris. Bucht man früh genug oder nimmt eines der vielen Rabattangebote wahr, kann man für ca. 30 – 40€ innerhalb weniger Stunden in der ersten Klasse reisen. Empfehlenswert ist die "Carte Jeune" – eine Jugendbahncard die manchmal schon für 25 € zu haben ist und sich schon ab wenigen Fahrten rentiert. Zuguterletzt bleiben noch zwei weniger bequeme, aber ebenfalls sehr günstige Möglichkeiten. Zum einen kann auch eine direkte Fernbusverbindung aus Trier nach Montpellier genutzt werden. Tickets liegen bei ca. 30 € inkl. Gepäck. Der Bus fährt von Düsseldorf nach Barcelona. Die Fahrt nach Montpellier dauert ca. 14 h, ist aber bei Nachtfahrt sehr gut zu überstehen.
Zum anderen kann man auch Mitfahrgelegenheiten wahrnehmen, die z.B. in nahe gelegene Städe oder direkt nach Montpellier führen. Ich selbst habe die ersten drei Möglichkeiten genutzt und bin mit allen sehr zufrieden gewesen. Mein Tipp zum Transport von Gepäck: nehmt nur das wichtigste mit, wie persönliche Gegenstände oder Medikamente und Hygiene-Artikel. Alles was ihr braucht kann vor Ort gekauft werden. Außerdem kann man sich schnell und günstig Pakete nachschicken lassen, falls man doch etwas zuhause gelassen hat. Für den Rücktransport empfehle ich Vergleichsseiten wie "envoimoinscher.com" bei denen ihr Pakete zuverlässig und sehr viel günstiger als bei der frz. Post verschicken könnt.
Montpellier liegt in der neu geschaffenen Region Okzitanien und war Hauptstadt der Region Languedoc-Roussillon. Mit knapp 300.000 Einwohnern und 400.000 in der Großregion ist die Stadt groß genug, um immer etwas anzubieten. Sie ist touristisch geprägt und zur Saison deutlich voller als bspw. im Winter. Die Innenstadt zeichnet sich durch typisch mediterrane, enge Gassen und Altbauten aus und ist gut erhalten. Dazu kommen viele Parks und öffentliche Plätze und im äußeren Bereich auch interessante moderne Architektur. Die Landschaft der Umgebung bietet tolle Naturerlebnisse und mediterrane Vegetation. So kann man zum Beispiel den Berg "Pic Saint Loup" besteigen oder eine der vielen Kanurouten auf den Flüssen "Le Lez" und "La Mosson" bestreiten. Die größte Attraktion dürfte jedoch, vor allem im Sommer, die unmittelbare Nähe zum Mittelmeer sein. Man kann mit öffentlichen Transportmitteln den Strand von der Stadt aus in ca. 40 min erreichen. Dabei kann man entspannten Strandurlaub machen oder mit dem Rad viele tolle Orte an der Küste, wie die Kathedrale in Villeneuve-lès-Maguellone entdecken. In weiterer Umgebung gibt es viele interessante, kleinere wie größere Städte. So liegt die zweitgrößte Stadt Frankreichs, Lyon, nur wenige Stunden entfernt. Dort gibt es viel zu entdecken, unter anderem das berühmte Lichterfest. Des weiteren liegt Toulouse in der Nähe. Zu den kleineren interessanten Städten zählt bspw. Sète. Für noch Reisewütigere empfiehlt sich auch ein Ausflug ins nahe gelegene Spanien, z.B. ein Wochenende in Barcelona.
Über das Studentenwerk "CROUS", das in ganz Frankreich vertreten ist, erhält man bei seiner Einschreibung die Möglichkeit, sich ein Zimmer in einem der vier Wohnheime des CROUS zu reservieren. Diese liegen in unmittelbarer Nähe zur Wissenschaftsfakultät, sodass diese fußläufig oder mit dem Rad in wenigen Minuten zu erreichen ist, was den Alltag enorm erleichtert. In meinem Fall war dies "Vert-Bois", das besonders nah an der Wissenschaftfakultät liegt. Außerdem gibt es ein "Restaurant Universitaire", also eine Mensa mit Cafeteria gegenüber. Das Heim selbst liegt in einem großen ruhigen Park ohne jeglichen Verkehr.
Die Zimmer sind klein aber ausreichend ausgestattet. Sie werden regelmäßig renoviert und sind sauber. Gekocht wird in Gemeinschaftsküchen. Diese eignen sich sehr gut, um viele nette Nachbarn kennenzulernen. In den Wohnheimen wohnen in der Regel sowohl Franzosen als auch Studierende vieler anderer Nationalitäten, mit denen man schnell ins Gespräch kommt. Die Wohnheime des Studentenwerks zeichnen sich durch einige Besonderheiten aus, die man kennen sollte. So sollte man wissen, dass die Wohnheime in der Regel für einige Wochen in der vorlesungsfreien Zeit im Sommer geschlossen werden. Jeder Bewohner muss sein Zimmer vollständig räumen und bekommt evtl. ein anderes nach Wiedereröffnung im nächsten Semester. Dies bedeutet, dass ihr, wenn ihr am Ende des Sommersemesters anreist, ggf. noch eine Woche in einem Hotel, Hostel, B&B o.ä. überbrücken müsst, bevor das Semester startet.
Beginnt euer Aufenthalt mit dem Sommersemester, so steht euch ein kleiner Umzug bevor, der sich gut mit einem kurzen Aufenthalt zuhause verbinden lässt. Außerdem sollte man wissen, dass man auch als ERASMUS-PLUS-Studierender Anspruch auf Wohngeld in Frankreich hat. Dies kann bei der "CAF" beantragt werden und heißt "Aide au logement". Das Geld wird, falls ihr im Wohnheim wohnt, direkt an dieses überwiesen und mit der Miete verrechnet, sodass ihr mit erheblich günstigerer Miete wohnt. Der Antrag sollte so früh wie möglich erfolgen, da man kein Geld rückwirkend erhält! Mitarbeiter eures Wohnheims können euch beim Antrag helfen, er ist bequem online auszufüllen.
Für Sportinteressierte gibt es ein großes Angebot. Das Kursangebot der Universität umfasst für einen günstigen Preis schätzungsweise 35 Sportarten verteilt über viele Hallen der Stadt. Ich habe an Karate und Tischtennis über das ganze Semester teilgenommen. Es waren hauptsächlich Franzosen in den Kursen, die sehr offen und entgegenkommend waren. Montpellier ist für seinen Tischtennisverein sehr bekannt und für Interessierte sicherlich sehr reizvoll. Tagsüber kann man sich sportlich betätigen oder einfach die Sonne genießen auf öffentlichen Plätzen und in Parks. Hier kann ich den "Parc du domaine de Méric" empfehlen. Außerdem den kostenlosen Zoo mit angeschlossenem Park und den Botanischen Garten, ebenfalls kostenlos. Es gibt die bereits erwähnten Flüsse "Lez" und "Mosson" die durch die Stadt fließen und deren Ufer ebenfalls tolle Aufenthalte bieten.
Auch abends auszugehen fällt nicht schwer. So kann der Abend gemütlich in einem der Parks der Stadt, z.B. in der "Promenade du Peyrou" ausklinngen. Das "Erasmus Student Network" kurz ESN organisiert Parties und andere Veranstaltungen mit Rabatten für Erasmus-Studenten, an denen man andere Studierende aus allen Ländern der Welt kennenlernen kann. Dazu kommen viele gemütliche Cafés und Bars in der Innenstadt. Zu beachten ist, dass die gesetzliche Sperrstunde in der Stadt bei 01:00 Uhr liegt und streng eingehalten wird. Danach sind nur noch Clubs geöffnet.
Für den Aufenthalt in Frankreich und im Speziellen in Montpellier würde ich folgende Dinge beachten oder verbessern:
Ich kann nach all den Erfahrungen nur sagen, dass ein Auslandssemester in jedem Fall lohnenswert ist. Sich aus seiner gewohnten Umgebung zu lösen und sich völlig alleinstehend in ein anderes Land zu begeben bereichert ungemein und nimmt die Bequemlichkeit, die man sich im Alltag im Umgang mit anderen Menschen angewöhnt.
03. APRIL 2017
Autor: Peter Schmitz
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