Zur Untersuchung von Stimmstörungen werden endoskopische Aufnahmen des Kehlkopfes mit einer Hochgeschwindigkeits-kamera durchgeführt, so dass die Bewegungen der Stimmlippen, welche Verantwortlich für die Generierung der menschlichen Stimme sind, beobachtet werden können. Eine einzige Videoaufnahme erzeugt für ein Zeitintervall von nur 2 Sekunden bereits mehrere hundert Megabyte an Daten. Da es einem untersuchenden Arzt nicht möglich ist diese erhebliche Datenmenge hinreichend genau mittels Zeitlupenwiedergabe zu betrachten, wurde das Verfahren der Phonovibrographie entwickelt, mit dem eine klinisch nutzbringende Visualisierung der Stimmlippenbewegungen erreicht werden kann. Dieses Verfahren besteht aus einer Abfolge von Schritten, welche im weiteren erläutert werden.
In einem ersten Schritt werden die sich bewegenden Kanten der Stimmlippen in den Videoaufnahmen segmentiert. Dazu wurde ein semi-automatisches Verfahren (Abstract) entwickelt, welches in einer klinischen Studie umfangreich validiert wurde. Der durch ein User-Interface anpassbare Region-Growing-Algorithmus erlaubt die exakte Segmentierung der Stimmlippenkanten auch aus Videoaufnahmen selbst bei geringer Bildqualität. Neben den Stimmlippenkanten ermittelt der Algorithmus das vordere (anterior, A) und hintere (posterior, P) Ende der Öffnung zwischen den Stimmlippen, welche als Stimmritze (Glottis) bezeichnet wird. Das Ergebnis der Segmentierung eines Einzelbildes ist in Abb. 1 (links) gezeigt.
Zur späteren Visualisierung werden in einem sich anschließenden Schritt die Abstände zwischen den Stimmlippenkanten und der glottalen Achse berechnet und die linke Stimmlippe (blau) virtuell um den Punkt P gedreht. Die ermittelten Abstandswerte werden entsprechend ihrer Größe farblich kodiert. Je größer der Abstandswert ist, desto intensiver wird der Farbton rot. Aufgrund der Rotation der linken Stimmlippe um den Punkt P erhält man somit einen vertikalen Farbstreifen, welcher für ein Einzelbild die aktuelle Stimmlippenauslenkung repräsentiert (Abbildung 1, Mitte). Wird dieser Vorgang nun für jedes Bild einer Sequenz wiederholt und die resultierenden Farbstreifen aneinandergefügt entsteht ein 2D-Bild, das sogenannte Phonovibrogram (PVG).
In der Abbildung 1 ist auf der rechten Seite ein PVG abgebildet, welches 3 Schwingungszkylen beinhaltet. Die obere Hälfte des PVGs repräsentierte die Schwingung der linken, die untere Hälfte die Schwingung der rechten Stimmlippe. In Abhängigkeit der mit der Videokamera untersuchten Stimmlippenschwingungen entstehen im PVG charakteristische Formen, welche sich hinsichtlich der Symmetrie der Schwingung (linke zur rechten Stimmlippe) und der zeitlichen Stabilität bewertet lässt. Eine visuelle Bewertung der Schwingung mittels Betrachtung einer Zeitlupenwiedergabe ist durch die Form der Visualisierung nicht weiter erforderlich. Der Nutzen der PVG-Visualisierung konnte in einer Reihe von Arbeiten gezeigt werden. Eine Zusammenfassung der Arbeiten zu dem Projekt ist in der Zeitschrift International Innovation nachzulesen und kann hier als Pdf heruntergeladen werden. Die wissenschaftlichen Veröffentlichung Phonovibrography: mapping high-speed movies of vocal fold vibrations into 2-D diagrams for visualizing and analyzing the underlying laryngeal dynamics wurde im Jahr 2009 von der internationalen medizinischen Fachgesellschaft International Medical Informatics Association (IMIA) mit der Best Paper Selection ausgezeichnet.
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