Hochschule Trier

Erforschung kultureller Ökosystemleistungen renaturierter Fließgewässer durch Social Media Daten: Nina Kaisers innovativer Ansatz

„Man sollte immer an sich selbst glauben und sich selbst zufriedenstellen. Ich arbeite transparent und nach bestem Wissen. Es ist wichtig offen für Inspirationen von außen zu sein, dabei aber gleichzeitig seinen eigenen Weg zu verfolgen. Die schlimmsten Zeiten in einer Dissertation gehen vorüber, und die Freude über die erste veröffentlichte Arbeit macht alles wett. Es ist toll, einen kleinen Beitrag zu leisten, um Licht ins Dunkel zu bringen.“

Nina Kaiser wählte den zweiten Bildungsweg und absolvierte zunächst eine pädagogische Ausbildung, gefolgt von ihrem Abitur. Danach studierte sie Geowissenschaften an der Universität Basel und spezialisierte sich auf Bodenprozesse und Ökosystemleistungen. Für ihren Master wechselte sie zur Goethe-Universität Frankfurt, wo sie sich auf Wasser als Naturkapital konzentrierte. Fasziniert vom wissenschaftlichen Denken und evidenzbasierten Ansatz, entschied sie sich für eine kooperative Promotion zwischen der Universität Duisburg-Essen und der Hochschule Trier.

© 2023, über die Ökosystemleistungen renaturierter Fließgewässer

 

Der Weg zur Promotion

Schon in ihrer Masterarbeit setzte sich Nina Kaiser mit dem Thema Wasser auseinander und führte ihre Forschung in Bangladesch in Zusammenarbeit mit der KfW Entwicklungsbank durch. Sie forschte in Barisal über die multifunktionale Nutzung von städtischen Teichen, die überwiegend in Privatbesitz sind, aber gemeinschaftlich genutzt werden. „Diese Teiche stärken durch ihre Ökosystemleistungen, wie Wasserspeicherung und Reduzierung von Überschwemmungshöhen das soziale Kapital der Gemeinschaft und können ökonomische Schäden durch Degradierung des Naturkapitals verhindern“, erläutert sie. Begeistert von dieser Erfahrung beschloss sie, eine Promotion zu machen.

Nina Kaiser suchte in einem Umkreis von bis zu 300 Kilometern um ihren Wohnort nach einer Promotionsstelle. Trotz der Konkurrenz und der Herausforderungen bei der Suche nach einer Doktorandenstelle gelang es ihr nach etwa einem halben Jahr, eine passende Stelle zu finden, was sie sehr freute. Im Sommer 2017 begann sie eine kooperative Promotion zwischen der Universität Duisburg-Essen und der Hochschule Trier mit Prof. Dr. Stefan Stoll als Doktorvater.

Nutzung von Social Media Daten zur Analyse kultureller Ökosystemleistungen

Nina Kaiser stellte sich die Frage, wie sich kulturelle Ökosystemleistungen nach Renaturierung verändern. Kulturelle Ökosystemleistungen sind eine der drei Hauptkategorien von Ökosystemleistungen, die in der Common International Classification of Ecosystem Services (CICES) beschrieben sind. Es handelt sich dabei um schwer fassbare Leistungen wie beispielsweise Erholungswert, spirituelle und ästhetische Werte, sowie der Bildungswert.

„Die identitätsbildende Elemente von Ökosystemleistungen sind schwer zu erfassen, da diese oft nur durch Interviews ermittelt werden können. Um kulturelle Ökosystemleistungen in großen Gebieten effizient zu erfassen und zu bewerten, habe ich mich entschieden, Daten aus Social Media zu untersuchen“, erklärt sie.

Diese innovative Methode führte zu internationaler Vernetzung, unter anderem mit einem Forschungsaufenthalt in Israel bei Prof. Ghermandi. Zwei Untersuchungsgebiete wählte sie für die Erprobung der neuartigen Methode aus: Israel mit einem semiariden Klima (Kishon river) und Deutschland mit einem humiden Klima (Emscher).

Zur Erfassung kultureller Ökosystemleistungen nutzte Nina Kaiser Social Media Fotos und analysierte diese mit Computer Vision Algorithmen, um Mensch-Natur-Interaktionen zu erkennen. In einer Studie in vier Ländern analysierten Studierende Fotos von Social Media und ordneten diese den Ökosystemleistungskategorien zu, um die Bildinterpretation durch Texte zu untersuchen. Diese Untersuchungen zeigten unter anderem, dass die Renaturierung das Interesse der Menschen an der Natur steigern kann, allerdings mit einem Unterschied zwischen den beiden Untersuchungsgebieten: In Israel wurden die Flächen eher gemeinschaftlich genutzt, während in Deutschland die Naturerfahrungen tendenziell individueller waren. „Ein wichtiges Ergebnis meiner Forschungsarbeit ist, dass die Renaturierung potenziell das Bewusstsein und die Verbindung zur Natur stärken kann, was gegen die allgemeine Tendenz der Entfremdung von der Natur spricht.“, erläutert sie.

Praxisnahe Forschung und Beitrag zur Umweltschonung

Nina Kaiser betrachtete ihre Promotion als privilegierte Gelegenheit, ihre Leidenschaft für Ökosystemleistungen und Renaturierung zu verfolgen, unterstützt durch öffentliche und Drittmittel. Ihre Forschung, die angewandte und grundlegende Aspekte vereint, hilft Gewässermanagern und Nationalpark-Verwaltern bei der Verbesserung von Marketingstrategien und Besucherlenkung und fördert das gesellschaftliche Engagement für Umweltschutz.

Kaiser betont, dass Renaturierung nicht alle Schäden rückgängig machen kann, aber entscheidend zur Verbesserung der Umwelt und zur Resilienz gegenüber Krisen beiträgt. „In den letzten 250 Jahren haben wir als Menschheit enorme Teile der Natur zerstört. Wir haben eine Verantwortung gegenüber unserem Planeten und zukünftigen Generationen, indem wir versuchen, unseren ökologischen Fußabdruck zu minimieren und das, was wir zerstört haben, wieder gutzumachen“, sagt sie.

Herausforderungen und Erfolge

Die Promotion stellte Kaiser vor zahlreiche Herausforderungen, insbesondere die Zeit während der Coronakrise und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Trotzdem konnte sie ihre Dissertation erfolgreich verteidigen (magna cum laude) und ein internationales Netzwerk aufbauen.

Einen bedeutenden Teil ihres Netzwerks verdankt sie ihrem Engagement im Young Ecosystem Service Specialists (YESS)-Netzwerk, wo sie drei Jahre im Executive Board war. Sie organisierte Veranstaltungen wie Journal Clubs und "Meet the Author" und unterstützte die globale Vernetzung unter Nachwuchswissenschaftlern, die mit Ökosystemleistungen arbeiten. Aktuell ist sie ehrenamtlich im erweiterten Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Limnologie (DGL) aktiv.

Zusätzlich betont sie die Bedeutung von Mentoring. Eine Mentorin während ihrer Promotion war sehr hilfreich, und sie selbst hat andere Promovierende als Mentorin unterstützt. Sie rät dazu, solche Unterstützungsnetzwerke formal oder informell zu nutzen, um den Austausch und die Unterstützung während der Dissertation zu fördern.

Ausblick in die Zukunft

Nach dem Abschluss ihrer Promotion und ihrer Zeit als Postdoc an der Hochschule wird Nina Kaiser beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) in Wiesbaden arbeiten, wo sie die Koordination von drei EU-Berichten im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie übernehmen wird. Für die ferne Zukunft kann sie sich auch eine Karriere als Hochschulprofessorin vorstellen und bleibt optimistisch, ihre Forschungsergebnisse weiter voranzutreiben.

Nina Kaisers Weg von der Pädagogik über Geowissenschaften zu einer Karriere an der Schnittstelle zwischen Ökologie und Sozialwissenschaften ist ein beeindruckendes Beispiel für Engagement, Innovation und die Bedeutung von interdisziplinärer Arbeit in der heutigen Wissenschaft.

 

Das Interview führte Louise Gubanski

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