Mein Studium der Physik absolvierte ich an der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK). Anschließend leistete ich als Stipendiat des DFG-Graduiertenkollegs 792 Beiträge zur experimentellen Grundlagenforschung auf dem Gebiet der laserinduzierten, ultraschnellen Spindynamik. Im Jahr 2011, nach meiner Promotion, stand ich vor der beruflichen Weichenstellung: ein Leben für die Forschung oder eine klassische (lukrative) Industriekarriere?
Während dieser Findungsphase wurde ich zufällig auf das Qualitätspakt-Lehre-Projekt Open MINT Labs (OML) an der Hochschule Trier, im Verbund mit den Hochschulen Kaiserslautern und Koblenz, aufmerksam. Dessen Ziel, die Konzeption und medien-didaktische Ausgestaltung von virtuellen Laboren für einige MINT-Studienfächer, sprach mich sofort an. Zugunsten des kreativen Spielraums habe ich der Koordination des Fachgebiets Physik innerhalb von OML sogar den Vorrang gegenüber meiner bei Robert Bosch in Reutlingen laufenden Bewerbung im Qualitätsmanagement von Airbag-Sensoren eingeräumt. Das E-Learning-Projekt erlangte während seiner Durchführung bis Anfang 2021 bundesweite Sichtbarkeit; gegenwärtig kommen die virtuellen Labore aus OML in verschiedenen (Praktikums-)Veranstaltungen der Verbundhochschulen zum Einsatz.
Parallel zur operativen Projektleitung nahm ich an den Hochschulstandorten ein breites Spektrum an Lehraufträgen in den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen wahr oder engagierte mich als vertretende Ombudsperson für gute wissenschaftliche Praxis. Mein Interesse an einer Hochschulkarriere wurde nicht zuletzt durch den 1. Platz im Wettbewerb EU-Forschung an den Hochschule Trier und den hiesigen Lehrpreis 2018 bekräftigt. Dabei muss man wissen, dass für eine Professur an einer Hochschule für Angewandte Wissenschaften die Berufserfahrung aus der freien Wirtschaft eine essentielle Zutat ist. Glücklicherweise bot sich mir mit dem Programm House of Profs – Spirit of Innovation, Joy and Diversity, welches auf die Rekrutierung von professoralem Personal an der Hochschule Trier abzielt, eine attraktive Chance. Kandidatinnen oder Kandidaten, die sonst alle Voraussetzungen für eine Professur erfüllen, können im Rahmen eines dreijährigen Tandem-Modells ihre außerhochschulische Berufserfahrung erwerben.
Bereits seit April 2021 sammelte ich – neben meiner Tätigkeit als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Hochschule Trier – in der FuE-Abteilung des Unternehmens Rhenocoll wertvolle Industriepraxis; so gesehen praktizierte ich das Tandem-Modell bereits über ein Jahr im Testlauf. Im September 2022 wurde mir nun, nach Abschluss des Berufungsverfahrens, offiziell der Ruf als Tandem-Professor für das Lehrgebiet Technische Thermodynamik im Fachbereich Umweltplanung/Umwelttechnik des Umwelt-Campus Birkenfeld (UCB) erteilt. Ich freue mich, dass für die weitere Qualifizierungsphase die eingespielte Kooperation mit Rhenocoll fortgeführt werden kann, da es nicht gerade trivial ist, in unserer strukturschwachen Region ein thematisch passendes sowie forschungsstarkes Unternehmen zu finden.
Für mich liegt der Reiz in der Aufgabenvielfalt. Es ist zwar durchaus herausfordernd – schließlich stehe ich für zwei Arbeitgeber in der Pflicht – doch wollte ich immer schon Industrieluft schnuppern und mein Know-how zur Lösung von technischen Fragestellungen aus der Wirtschaft einsetzen. Dank der Tandem-Professur lässt sich sozusagen beides sinnvoll miteinander kombinieren. Davon profitieren vor allem die Studierenden, wenn sie in der Vorlesung das Gelernte auf „authentische“ Anwendungsfälle des Industriealltags übertragen – das hat eine andere Qualität als die oft abstrakten, d.h. weniger praxisnahen Beispiele aus Textbüchern. Gleichermaßen gewinnen von mir betreute Projekt- oder Abschlussarbeiten an Originalität.
Zudem ist der hochschulseitig zugestandene Freiraum in der Forschung für mich ganz entscheidend, um mit potenziellen Kooperationspartnern Schnittstellen für gemeinsame Forschungsprojekte zu identifizieren. Das Spannende an meiner Tandem-Konstellation ist sicherlich, dass sich das kooperierende Unternehmen per se mit Fragen der Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz und Resilienz beschäftigt, was also ideal zum Profil des Umwelt-Campus Birkenfeld passt. Daraus resultiert eine echte Win-win-Situation für die Wissenschaft und regionale Wirtschaft.
Im Konkreten bin ich bei Rhenocoll an der Entwicklung von umweltfreundlichen Farben und Glaslacken beteiligt, die im Sommer wie ein Hitzeschild wirken, um etwa elektrische Energie für den Betrieb von Klimageräten einzusparen. Intelligente Bautenanstriche und das Recycling von Farbresten sind weitere Aktionsfelder. Aktuell befindet sich Rhenocoll mit einem Verbundantrag innerhalb von Waste2Value, einer Programmlinie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zur Förderung von Innovation und Strukturwandel in den Regionen, auf bestem Wege. In enger Zusammenarbeit mit der Hochschule Kaiserslautern, wo man intensiv das Wachstum von Algen und Cyanobakterien beforscht, beabsichtigt Rhenocoll als Proof-of-Concept eine biobasierte Farbe zu formulieren. Das wäre ein riesiger Schritt in Richtung zirkulärer Wirtschaft mit Pilotcharakter.
Die Bewerberin oder der Bewerber sollte auf jeden Fall einen großen intrinsischen Antrieb für Forschung und Lehre mitbringen. Dazu gehört ein überzeugendes Forschungskonzept, genauso wie der Mut zu Lehr-Innovationen. Die Lehre zu entstauben, um sie mit dem modernen Alltag der Studierenden zu verknüpfen, fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Mein zugewiesenes Lehrdeputat umfasst beispielsweise Veranstaltungen im international ausgerichteten, englisch-sprachigen Studiengang SBT (Sustainable Business and Technology). Diese Aufgabe empfinde ich als eine Art Königsdisziplin: Denn es gilt, die eigene Lehrmethodik auf Studierende “from all over the world“ kulturell zu adaptieren und mit einer geeigneten Kommunikation die heterogene Gruppe moderierend zu aktivieren. Zuletzt darf der Humor, wie ich finde, nicht zu kurz kommen, kann damit fast jede Vorlesung auf überraschende Weise (wieder-)belebt werden.
Neben der Lehre spielt an den sogenannten HAWs, den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, die Exzellenz in der Forschung eine zunehmend bedeutende Rolle – geht es doch um das Einwerben von Drittmitteln sowie die Anstrengungen für ein eigenständiges Promotionsrecht. Man muss daher das eigene Forschungsfeld möglichst konkret vor Augen haben und die nächsten Maßnahmenschritte klar benennen können. Hierbei ist gleichzeitig Teamwork mit den Kolleginnen und Kollegen im Fachbereich, der Hochschule oder mit externen Partnern des eigenen Netzwerkes gefragt. Meine zukünftige Forschung möchte ich im Feld von „Funktionsmaterialien für mehr Nachhaltigkeit“ ansiedeln, wozu sich die Potenziale an der Hochschule und im Unternehmen ideal bündeln lassen. So zählt zu meinen derzeitigen (Haus-)Aufgaben das Schreiben von Anträgen, worin ich für eine finanzielle Unterstützung zum Anschub meiner Forschungsabsichten zu überzeugen versuche.
Ein Tipp zuletzt: Überzeugen Sie durch Ihre Persönlichkeit und Motivation. Grundsätzlich sollte Ihr Wesenszug über eine gesunde Portion Idealismus verfügen.
Sie verlassen die offizielle Website der Hochschule Trier