Ein zweifelhafte Hypothese in Brüssel „piekst“ ihn zum zweiten Doktortitel
2013 auf einem Stakeholdermeeting in Brüssel über Wärmerückgewinnungssysteme in Lüftungsanlagen kommen Christoph Kaup Zweifel über eine europaweite Vereinheitlichung in der geplanten Ökodesignverordnung. Mit der Begründung im Norden würde Wärme und im Süden Kälte zurückgewonnen, und das hebe sich zwangsläufig in Europa auf, ist er nicht zufrieden.
Was haben Helsinki und Lissabon gemeinsam?
„Mit den Verordnungen von 2014 muss Wärmerückgewinnung seit 2018 einheitlich mit 73% bei einer Installation einer Lüftungsanlage eingesetzt werden. Das macht vielleicht in Helsinki Sinn,“ erklärt er, „aber sicher nicht in Anlagen für Lissabon oder Athen.“
Die Frage nach dem Optimum ließ ihn seitdem nicht los. Der energetische, ökologische und ökonomische Aufwand müsse im Verhältnis zum Nutzen abgewogen werden und das sei durchaus standortrelevant, da die unterschiedlichen klimatischen Rahmenbedingungen einen großen Einfluss haben, so Kaup. Ebenso käme es natürlich auch auf die Nutzung des Gebäudes selbst an; eine Schwimmhalle mit konstant 28 Grad hat andere Voraussetzungen als ein Industriegebäude mit gerade einmal 16 Grad. Oder beim Betrachten der Laufzeit der Anlage sind acht Stunden in einem Bürogebäude eine andere Nummer als etwa ein 24-Stunden-Betrieb im Krankenhaus.
„Ich dachte ich finde tausende Veröffentlichungen zur Optimierung der Wärmerückgewinnung und ich fand genau: gar keine!“ Damit war die Sache für Christoph Kaup klar, er würde das selbst untersuchen.
Die zentrale Frage war: Wie kann man Wärmerückgewinnung ökonomisch oder ökologisch optimieren?
Christoph Kaup auf der Suche nach dem Optimum in der Wärmerückgewinnung
Dafür entwickelte Christoph Kaup ein neues Verfahren zur vereinfachten Berechnung, das mittlerweile auch patentiert ist. Entscheidend hierbei war die dreidimensionale Perspektive auf den Wärmeträger, der in der Simulation umgeformt wurde „wie Nutella“. So könne man genau berechnen, wie sich entsprechend Wärme- und Leistungscharakteristika im Verhältnis zum Nutzen, aber auch zum Aufwand der Wärmerückgewinnung änderten.
Er sammelte anschließend einen Datensatz von mehr als 3000 Geräten und ließ seine Optimierung automatisiert durchlaufen, wobei er systematisch verschiedene Standorte simulierte. Er wählte Lissabon, Mannheim und Helsinki als Fallbeispiele für den Einbezug aller gefundenen externen Faktoren.
Das Optimum für verschiedene Standorte ließ sich nun vorhersagen. Die Parameter konnte er auf drei Maßgebliche reduzieren: Außenlufttemperatur (Standort), Ablufttemperatur (Anwendung), Laufzeit.
Er stellt fest, der Sommer ist für die Berechnung des Optimums der Wärmerückgewinnung in allen Fällen uninteressant, selbst im Süden, wichtig ist der Winter. Damit hat er die strittige Brüsseler Ausgangsthese aus dem Jahre 2013 widerlegt.
Ein Auf und Ab
Seine Ergebnisse liefen direkt in Textvorlagen für die Ökodesignverordnung der EU-Kommission, die allerdings im Entwurf stecken geblieben ist.
„Das kennt jeder Wissenschaftler“, so Kaup, „im direkten Anwendungsbezug kann es passieren, das die Themen plötzlich nicht mehr interessant sind, wenn sich die politische Richtung ändert, oder die Anwendung der Ergebnisse kompliziert wird.“ Im Nachgang ärgert er sich, dass er den Energiepreis als Faktor unberücksichtigt gelassen hatte: „Zu Beginn der Dissertation waren die Preise noch konstant, da konnte ich das in diesen Schwankungen, wie sie heute die Regel sind, nicht erahnen.“
Der Weg zum Optimum
Strategisch richtig empfand er jedoch den Schritt, sich gegenüber dem Betreuer in Kassel durchzusetzen und entgegen der Fachkultur kumulativ zu promovieren. „So konnte ich die Ergebnisse schnell und zielgerichtet publizieren, als sie für die Politikberater relevant waren,“ erklärt Kaup.
Auf die Frage, worauf er sich nun am meisten freue sehnt sich Christoph Kaup danach, endlich wieder alte Routinen aufzunehmen und wieder neue Ideen zu verfolgen, vielleicht auch in einzelnen Aufsätzen. Interessant findet er derzeit die Themenfelder rund um das „Lebensmittel Luft“, aber auch die Fragestellungen rund um die Energiewende, die uns alle betrifft.
Das Interview führte Dr. Juliane Tatarinov
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