Die Finanzbranche ist in allen Ländern Europas eine Schlüsselbranche, fokussiert auf Banken. Spätestens im Reflex auf die Finanzmarktkrise und die in Teilen damit in Verbindung stehenden Trends Digitalisierung, Kostendruck, Regulierungskomplexität (insb. Basel III/IV und IFRS) und im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld stellt sich die Frage der Architektur der Kreditwirtschaft und des gesamten Finanzsektors neu, und zwar nicht nur im Aggregat, sondern für jedes agierende Unternehmen.
Sowohl in der Kreditwirtschaft als auch im Asset Management stellt der Eintritt von neuen Finanzdienstleistern ("FinTechs") in das angestammte Geschäftsfeld von Kreditinstituten (z.B. Kreditplattformen) und Asset-Management-Unternehmen (z.B. RoboAdvice) eine strategische Herausforderung dar. Hierbei kann es zu Kooperationslösungen kommen, indem ein Kreditinstitut z.B. aus Kostengründen die Dienste eines FinTechs in Anspruch nimmt und so ineffiziente interne Prozesse ersetzt; es kann aber auch zu Konkurrenzsituationen kommen, wenn die FinTechs ganze Bankdienstleistungen ersetzen.
Treiber dieser Prozesse ist die Digitalisierung von Finanzdienstleistungen, die mit oder ohne das Auftreten von FinTechs das Geschäftsgebaren von Kreditinstituten nachhaltig verändern wird. Z.B. werden auch bei Kreditinstituten, die bislang auf stationäre Vertriebskonzepte setzten, zukünftig digitale Vertriebswege zumindest erwogen werden müssen, damit die Kreditinstitute im Wettbewerb nicht den Anschluss verlieren. Einen auch durch den Kostendruck getriebenen Weg der Konsolidierung, aber auch der verstärkten Kooperationen unter Kreditinstituten gilt es zu gestalten.
Eine Schlüsselrolle in der sich wandelnden europäischen Finanzarchitektur nimmt dabei der sich neu definierende Finanzplatz Luxemburg ein. In Luxemburg gibt es schon seit längerer Zeit regulatorische Freiräume, etwa bei der Auflegung gehebelter Kreditfonds. Möglicherweise kommt es zu Verlagerungen der Geschäftsaktivitäten von Banken auf Fonds. Auch im Zusammenspiel mit anderen Finanzmarkterscheinungen nimmt der Finanzplatz Luxemburg eine Schlüsselstellung ein, z.B. im Rahmen von Verbriefungen von Forderungen aus Kreditplattformen.
T.FINE analysiert und begleitet diese Prozesse aufbauend auf der langjährigen praktischen Expertise der beteiligten Hochschullehrer und fokussiert sich auf die Funktionen Risikomanagement, Regulatorik und Accounting.
Auf Einladung des Trier Centers of Excellence for Financial Services Entities (T.FINE) referierten am 02. Juli 2019 Herr Dr. Peter Stemper, Vorstandsvorsitzender, und Frau Barbara Glass, Generalbevollmächtigte und Geschäftsbereichsleiterin Risikocontrolling, der Portigon AG Düsseldorf zum Thema: „Veränderungsprojekt zum strategischen Transformationsprozess der Portigon AG“. Die Referenten skizzierten zunächst die Ausgangssituation im Jahr 2011, als die EU-Kommission nach vorangegangen Stützungsaktionen die Zerschlagung der WestLB vorschrieb. Im weiteren Vortrag skizzierten Sie die Komplexität der Rückbauaufgabe, welcher die als Rechtsnachfolger installierte Portigon AG sich daraufhin stellen musste. Dies konnten die Referenten an der Anzahl der rückzubauenden Systeme, der Vielfalt der ausländischen Bankstandorte und der Anzahl der abzubauenden Mitarbeiter plastisch verdeutlichen. In ihrem Vortrag gingen sie dann auf das den Rückbau steuernde Veränderungsprojekt ein und betonten die Wichtigkeit eines klaren Zielbildes für den sog. Verwaltungsbetrieb, welcher bis zur finalen Abwicklung zu gewährleisten ist. Nicht zuletzt sei der angemessene Umgang mit den emotionalen Reaktionen der Betroffenen ein entscheidender Erfolgsfaktor für den erfolgreichen Rückbau der Bank gewesen. Im Anschluss beantworteten die Referenten die Fragen der Studierenden.
Im WS 2020/21 fand ein Seminar zum „Einfluss der Finanzmarktkrise und möglichen Einflüssen der COVID-19-Krise auf das europäische Bankensystem und dessen Regulierung“ statt. Dieses hochaktuelle Thema fällt in den Bereich Bankenregulierung und damit in einen der Schwerpunkte des Trier Center of Excellence for Financial Services Entities (T.FINE). Wegen der COVID-19-Pandemie fand dieses Seminar komplett digital statt. Wie auch in anderen T.FINE-Formaten konnte der Praxisbezug durch eine Forschungs- und Lehrkooperation gestärkt werden, bei diesem Seminar durch Integration von Referenten der Deutschen Bundesbank.
Zunächst fertigten die Studierenden Seminararbeiten an zu den Themen
und präsentierten diese.
In einem zweiten Baustein referierten im Dezember 2020 Herr Rainer Scherer, Regionalbereichsleiter Banken und Finanzaufsicht, und Herr Achim Altschäffl, Leiter des Referats Laufende Aufsicht, von der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Rheinland-Pfalz und dem Saarland zum Thema ‚Eckpunkte der regulatorischen Eigenmittelanforderungen‘. Nicht zuletzt aufgrund der langjährigen Erfahrung der Referenten gelang es diesen, die Hinter- und Beweggründe der sich entwickelnden Regulierung den Studierenden plausibel zu machen. Außerdem informierten sie über praktische Aspekte der Aufsicht über die Banken in Deutschland und in der Region.
In einem dritten Baustein erforschten die Studierenden auf Basis von aktuellen Analysen der Aufsicht und von Studien der Forschungs-institute den möglichen Einfluss der COVID-19-Krise auf das europäische Bankensystem (Phasen der Pandemie, Einfluss auf den Unternehmenssektor, betroffene Geschäfts-felder der Banken, besonders betroffene Bankensektoren, Verlusttragfähigkeit, regula-torische Maßnahmen, geld- und fiskal-politische Maßnahmen).
In einem vierten Baustein referierte Herr Scherer im Januar 2021 über bankaufsichtliche Analysen und Erfahrungen im bisherigen Verlauf der COVID-Pandemie und informierte über Stressrechnungen der Regulatoren. Auf diese Weise konnten die Seminarteilnehmer einen verbesserten Eindruck gewinnen von dem Ausmaß der in der zweiten Welle und danach zu erwartenden Belastungen des Bankensektors.
Ein Gesamtfazit könnte lauten: Anders als in der Finanzmarktkrise ist der Bankensektor in der COVID-19-Krise nicht Bestandteil des Problems. Auch wenn die langfristige Auswirkung der Pandemie auf die Institute offen ist, ist nicht zuletzt infolge der nach der Finanzmarktkrise erhöhten Eigenmittelanforderungen von einer ausreichenden Resilienz des Bankensektors auszugehen.
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