„Weiße Nächte“ ist der gleichnamige Titel von Fjodor Michailowitsch Dostojewskis Novelle. Doch ist es weniger der Inhalt selbst als viel mehr der Titel allein, der mich zu meinem Projekt inspirierte.
Allgemein hat der Ausdruck „Weiße Nächte“ mehrere Bedeutungen.
Zum einem wird damit ein Naturphänomen beschrieben, bei dem es sich um Nachtstunden handelt, in denen die Sonne nur für eine kurze Zeit untergeht, sodass es nachts hell bleibt. Besonders ausgeprägt sind diese in Sankt Petersburg, weil sie unzählige Touristen zum Genießen der magischen Atmosphäre anziehen.
Zum anderen werden „Weiße Nächte“ im übertragenen Sinne als durchfeierte Nächte bezeichnet. Dies findet sowohl im französischen als auch im italienischen Sprachgebrauch statt. In Griechland ist es ein Synonym für die Siesta. Die Rumänsiche Sprache wiederurm benutzt die „Weiße Nacht“, um eine schlaflose Nacht auszudrücken.
Letztere Bedeutung nahm ich als Ausgangspunkt für meine Recherche zum Thema Schlaf und Schlaflosigkeit. Aus gestalterischer Sicht war es mein Ziel, schlichte, tragbare und vor allem bequeme Kleidung zu entwerfen, die sich an herkömmlicher Schlafkleidung orientiert. Wie die meisten von uns aus Erfahrung wissen, kann der Schlaf, der zur körperlichen Erholung und Ruhe dient, auch Negatives mit sich bringen. Der als oft „friedlich“ bezeichnete Zustand wird dann durch diverse Einflüsse gestört, die ein spürbares Unbehagen auslösen. Dabei können folgende Faktoren für die Ursache von Schlafproblemen eine Rolle spielen: Äußere Störungen wie zum Beispiel Lärm, zu helles Licht, Hitze oder Kälte, können den Schlaf genauso ungünstig beeinflussen wie psychische Faktoren, worunter Stress, seelische Belastungen oder Depressionen fallen. Schmerzen und Erkrankungen verschiedester Art zählen wiederum zu den organischen Ursachen. Das Wohlgefühl, das man mit dem Schlaf verbindet, steht somit nicht alleine da. Gegensätze wie dieser sind überall zu finden, sie sind allgegenwärtig und entspringen unserer Realität.
Schauen wir auf unsere heutige Gesellschaft, können wir erkennen, dass sie unter anderem auf Bequemlichkeit ausgerichtet ist. Der technische Fortschritt macht das Leben scheinbar einfacher und bequemer. Doch je mehr Arbeit uns die Technik abnimmt und alle möglichen Prozesse vereinfacht und beschleunigt, desto größer wird das empfundene Unbehagen im Innern eines jeden, da er ein Stück seiner Verbundenheit mit den Dingen der Welt um sich herum und der Natur verliert und damit einen Teil seiner menschlichen Kapazität an die Technik abgibt. Und diese Stücke fehlen, mal mehr mal weniger spürbar. Der Mensch selbst hat sehr effiziente Industrien aufgebaut, die hauptsächlich der Verdrängung und Verdeckung dieses tief menschlichen Unbehagens dienen, ganz ausmerzen lässt es sich jedoch nicht. Somit ist der Mensch permanent mit der Empfindung konfrontiert, ein unperfektes Wesen zu sein, weit weg von Harmonie und Gleichgewicht, und umso mehr strebt er nach Perfektion in der einen oder anderen Weise- vielleicht ohne diese jemals erreichen zu können.
Dieses subtile Unbehagen, beziehungsweise die leichte Störung in der vermeintlich allgegenwärtigen Harmonie habe ich versucht auf die gestalterische Ebene zu übertragen. Das Bequeme in der Kleidung sollte mit einem störenden Element in Verbindung gebracht werden. Dazu habe ich anfangs Materialien manipuliert, die störende Elemte aufweisen wie Brandspuren, eigeschnittene Stellen oder der Einbau spitzer Drahtreste. Das ist ein Spiel mit der Tatsache, dass in der Bekleidungsindustrie die perfekte und saubere Verarbeitung der Materialien einen hohen Stellenwert hat. Letztendlich habe ich hauptsächlich das Element des Einschnittes und der daraus resultierenden Offenkantigkeit des Stoffes in Verbindung mit höchst qualitativ sauberer Verarbeitung verwendet. Dabei tritt dieses Elemnt nur subtil in den Kleidungsstücken auf und wird auf den ersten Blick gar nicht groß wahrgenommen.
WEISSE NÄCHTE Patricia Szydlowski
MENTORIN Professorin Bettina Maiburg
MASTER SEMESTERARBEIT
PHOTOGRAPHY Manuel Alt
MODEL Stella Maier
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