Zu erleben war die Multi-Media-Arbeit am Wochenende vom 28. bis 30. August 2020 in der Galerie Netzwerk in Trier. Derartige Projekte zu präsentieren, gehört zum Programm der Galerie. „Wir wollen jungen Leuten damit die Möglichkeit geben, sich der Öffentlichkeit vorzustellen, sagen Bettina Ghasempoor und Marc Kalbusch, die Galerie-Betreiber. Ein wahrhaft existentielles Thema behandelt die Studentin Gloria Hohmeister im Fach Modedesign der Hochschule Trier in ihrer präsentierten Bachelor-Arbeit. „Time is a killer“, heißt der Titel. Das klingt ein wenig wie die zeitgenössische Version des alten lateinischen Spruchs auf historischen Kirchturmuhren: „Omnes vulnerant, ultima necat“ – alle (Stunden) verwunden, die letzte tötet. Was wohl eine junge Frau dazu bewegt, sich mit solch einem pessimistischen Ansatz zu beschäftigen? Und das noch beim Thema Mode, die doch die Gegenwart mit immer neuen spritzigen Ideen feiert. Im Umkehrschluss ist allerdings tatsächlich die Vergänglichkeit der Zeit eine Grundbedingung für die Dynamik der Mode. Wir treffen uns, mit Mundschutz ausgerüstet und im notwendigen Abstand in der nach Corona-Maßstäben gut besuchten Galerie. „Die Zeit war schon immer mein Thema“, sagt die junge Frau mit dem klassischen halblangen Haarschnitt und dem aufmerksamen Blick über der Maske. Zudem sei sie jetzt schon zwanzig und damit selbst nicht mehr ganz jung, fährt Gloria Hohmeister fort. Dann muss sie aber doch selbst lachen, als sie das erstaunte Gesicht ihrer Gesprächspartnerin sieht. Wir einigen uns darauf, die Jugendfrage nochmal in 30 Jahren zu erörtern. Die aus Wiesbaden stammende Studentin hat durchaus nachvollziehbare Gründe für ihre Auseinandersetzung mit der nach ihrer Wahrnehmung mörderischen Zeit, die Vergangenheit werden lässt, was eben noch geliebte Gegenwart war, und Menschen dazu zwingt, loszulassen, was man gern behalten hätte. „Es fällt mir seit jeher schwer, Abschied zu nehmen“ erklärt die junge Frau in Jeans, Bluse und modischen Turnschuhen. Der Blick in ihre Augen lässt ahnen, dass sie mit Abschieden durchaus Erfahrung hat. Das Projekt der Bachelor-Absolventin, an dem weitere Studierende und ein externes „Model“ beteiligt waren, verbindet Ausstellung, Film, Modeschau und selbstkomponierte Musik und gibt dabei Einblick in seine Entstehung. Der Galerieraum ähnelt einer Werkstatt. Die Wände sind zu Pinnwänden umfunktioniert, bedeckt mit allen möglichen Fotos, und Texten, darunter Entwürfe von Kleidung. Auf dem Tischen davor versammeln sich kleine Knetfiguren. Über allem schwebt poppig der Hammer Zeit, der alles platt macht. „Für mich gehört das alles zum Arbeitsprozess“, erklärt Hohmeister. So wie der vierminütige eindrückliche Film über zwei Frauen im Waschsalon, die beide Hohmeisters Mode-Entwürfe tragen, die eine ist jung, die andere reif, über 70 Jahre alt, wie die Nachwuchs-Modeschöpferin berichtet. Ihre eindrucksvolle Erscheinung lässt plötzlich die Zeit nicht mehr nur als Killer jugendlicher Schönheit erscheinen, sondern als großartige Bildhauerin gelebten Lebens, der die Mode sekundiert. Mode machen gehe längst über ästhetische Aufgaben hinaus, wird Dirk Wolfes, der Trierer Hochschullehrer, der wie Hohmeister sagt, ihre Arbeit betreut hat, zum Fashion Day 2019/20 zitiert. „Es geht vielmehr um die aktuelle Relevanz im Ausdruck einer Gesinnung wie der Haltung einer Persönlichkeit.“ Auch für seine Studentin ist die Mode „Selbstdarstellung und Kommunikationsmittel“. Im Kleiderschrank aus Kartons hinten in der Galerie können Interessenten an Kleidern aus Pappe, die an die alten Bilderbogen Anzieh-Puppen und ihre Kleider erinnern, ausprobieren, was zu ihnen passt. Sonntags führen Hohmeister und ihre Studienkollegin Adriane Lila Fecke ihre eigene kleine, phantasievolle Kollektion vor. Dazu erklingt im leicht psychedelischem Sound: „Time is a killer“. Ein Projekt , das sich bestens als Anmoderation eines größeren interdisziplinären Projekts zum Thema Zeit und Mode eignete. Schade, dass es nicht länger zu sehen war.
Volksfreund-Bericht von Redakteurin Eva-Maria Reuther, 1. September 2020
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