Die böhmische Stadt Turnov und das rheinland-pfälzische Idar-Oberstein sind Zentren der Edelsteinverarbeitung und zeitgenössischen Schmuckkunst. Die Tradition gemeinsamer Ausstellungsprojekte wird unter dem Motto des diesjährigen Kultursommers mit insgesamt vier Ausstellungen fortgesetzt: In der Villa Bengel in Idar-Oberstein sind die Ergebnisse des seit 1984 stattfindenden Schmucksymposiums in Turnov zu sehen. Zeitgenössische Arbeiten des tschechischen Schmuckkünstlers Jiří Urban werden am Campus Idar-Oberstein ausgestellt. Jiří Urban ist auch als Restaurator historischer Schmuckstücke bekannt. Vier seiner Repliken bekannter Kronen werden in der Idarer Filiale der Kreissparkasse Birkenfeld präsentiert. Im Gegenzug zeigen Studierende der Fachrichtung Edelstein und Schmuck am Campus Idar-Oberstein ihre Schmuckkreationen im Museum in Turnov. Die drei Ausstellungen in Idar-Oberstein können vom 21. April bis 16. Juni 2022 besucht werden.
Diese außergewöhnliche Sammlung zeitgenössischen Schmucks entsteht seit dreißig Jahren. Wie kam es zu dieser Sammlung an diesem ganz besonderen Ort? Zum einen gibt es in der Umgebung viele Fundorte von Edelsteinen wie Achat, Amethyst, Jaspis, Karneol, böhmischem Granat oder Olivin. Dies hat dazu geführt, dass es in der Region seit der Wende zum 17. Jahrhundert eine starke Tradition des Edelsteinschleifens und der Schmuckherstellung gibt, die Hand in Hand mit der lokalen Glasherstellung geht.
Im Jahr 1984 wurde in Turnov die Fachschule für Edelsteinschleifen und -fassen gegründet, und ein Jahrhundert später wurde anlässlich dieses Jubiläums das erste Symposium veranstaltet. Bis 2018 wurden in Turnov 26 Symposien veranstaltet, an denen zweihundert Künstler aus der ganzen Welt teilnahmen, die die einmalige Gelegenheit nutzten, mit diesen Edelsteinen zu arbeiten. Neben der handwerklichen Arbeit in den Werkstätten unternahmen die Künstlerinnen und Künstler Ausflüge in die inspirierende Region des Böhmischen Paradieses (Český ráj) und zu den verschiedenen Mineralienvorkommen, besuchten verschiedene Ausstellungen und Vorträge sowie lokale Schulen und Ateliers. Die Sammlung umfasst derzeit mehr als 600 einzigartige Schmuckstücke und wächst weiter. Das Museum des Böhmischen Paradieses in Turnov verwaltet und präsentiert die Sammlung regelmäßig, sowohl im Rahmen der ständigen Exposition des Museums als auch durch häufige Ausstellungen in europäischen und überseeischen Galerien, so zuletzt in Valencia Melting Point 2014, Erfurt 2017, Prag 2018 und jetzt, nach siebzehn Jahren wieder in der Villa Bengel in Idar-Oberstein, wo eine Auswahl von 60 herausragenden Arbeiten gezeigt wird.
Jiří Urban (* 1954) absolvierte eine Ausbildung zum Goldschmied, doch sein künstlerisches Talent und sein Ehrgeiz brachten ihn schon bald unter die führenden Designer der Genossenschaft für Kunstproduktion Granát Turnov. In dieser Position übernahm er zum Beispiel die Aufgabe, ein Pazifal (Kreuz) für Papst Johannes Paul II. zu entwerfen, als dieser 1990 die Tschechische Republik besucht hat.
Er nahm auch regelmäßig an den Turnover Schmucksymposien teil, deren erste Auflagen von der Genossenschaft Granát veranstaltet wurden. Damals war er einer der wenigen, die sich ihrer Bedeutung voll bewusst waren und die Gelegenheit nutzten, mit bedeutenden Schmuckgestaltern aus der ganzen Welt zusammenzuarbeiten. Daran knüpfte er auch als Partner der Firma RSG Turnov an, für die er 1996 im Auftrag der Stadt Brünn ein Granatset für die britische Königin Elisabeth II. entwarf und schuf.
Künstlerisches Talent und handwerkliche Virtuosität treffen in Urbans freiem Schmuck in seltener Harmonie aufeinander, vor allem in den letzten zwei Jahren, als er sich nach einer Zeit, in der er sich intensiv der Malerei widmete, wieder dem Schmuck zuwandte. Er legt großen Wert auf die künstlerische Qualität der verwendeten Materialien. Er bevorzugt interessante Natursteine mit atypischen Schliffen, aber auch das Thema seines Schmucks zeugt von der engen Verbindung des Künstlers zur Natur. Zusammen mit dem perfekten handwerklichen Können, das wir vor allem bei den subtilen Abgüssen von Naturprodukten bewundern können, präsentiert er dem Publikum so originelle, beeindruckende und in gewisser Weise exklusive Werke.
Im September 2016 vollendete der Turnover Goldschmied Jiří Urban eine weitere Kopie des Krönungsschmucks, für den er im letzten Jahrzehnt berühmt wurde. Diesmal ist es die Krone, die die Reliquienbüste Karls des Großen in Aachen schmückt, welche Kaiser Karl IV. um 1350 für seinen berühmten Namensvetter entwerfen ließ. Die führende tschechische Glyptikerin Eva Mrákotová fertigte die Kopien der Edelsteingravuren in Naturstein und Glasimitationen.
Einen ähnlichen anspruchsvollen Auftrag dieser Art erhielt Urban erstmals 2008, als er für einen privaten Investor eine Replik der äußerst komplexen Krone des Heiligen Römischen Reiches anfertigte. Diese erfolgreiche Arbeit ebnete den Weg für weitere außergewöhnliche Aufträge. In der Idarer Kreissparkasse sind Kopien der “Eisernen” Langobardenkrone, der St. Wenzelskrone des böhmischen Königreichs, der Krone des Königs von Rom sowie Urbans letztes Werk dieser Art, eine Kopie der Kaiserkrone Napoleon Bonapartes, die der französische Kaiser zur Krönung 1804 anfertigen ließ, ausgestellt. Das Beeindruckende dieser – strukturell recht einfachen – Krone liegt wiederum in vierzig antiken und frühchristlichen Edelsteinen. Eva Mrákotová gravierte auch für diese Replik die Motive in Natursteine.
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