Zwischen der Hochschule Trier und der Firma Hagemeister besteht seit dem Wintersemester 2014/15 eine interessante Zusammenarbeit. Dabei wird die Professur von Professor Peter Böhm von der Firma Hagemeister, einem großen Klinkerhersteller aus dem Münsterland, gestiftet. Herr Böhm bringt sich dabei schwerpunktmäßig für das Lehrgebiet „Bauen und Gestalten mit massiven Baustoffen am Beispiel von Ziegelwerkstoffe und Beton“ ein. Aus dieser Zusammenarbeit entstehen diverse Möglichkeiten für die Gestaltung der Lehre, die von Prof. Böhm auf vielfältige Art und Weise genutzt werden.
Schon mit dem Beginn dieser Zusammenarbeit fanden erste Fahrten zum Klinkerwerk der Firma Hagemeister in Nottuln statt. Dabei konnten sich die Studierenden aus unterschiedlichen Semestern näher mit dem Thema Ziegel beziehungsweise Klinker auseinandersetzen und die Entstehung und Produktion durch Besichtigungen und Praxis-Übungen vor Ort auf dem Werksgelände mitverfolgen. Diese Übungen wurden von einem Künstler aus der Eifel, Herrn Martin Kleppe unterstützt, der als Lehrbeauftragter seine Erfahrungen aus seiner Arbeit mit großen Skulpturen und experimentellen Architekturen aus Ton oder Textilbeton einbringen konnte.
Basierend auf diesem Wissen entstand dann im Rahmen eines Hochschulprojekts im Wintersemester 2016/17 die Idee, die Leistungsfähigkeit des Baustoffs Klinker zu verdeutlichen und somit für das über 2000 Jahre alte Material auch zukünftig neue Anwenundsbereiche zu schaffen. Grundlage dazu war die Entwurfsaufgabe eines Eingangspavillons für das Klinkerwerk. Über verschiedene experimentelle Herangehensweisen wurden zunächst Versuche zur Formfindung absolviert. Im Weiteren wurde über die einzelnen Entwürfe beraten und sie im Hinblick auf die Aussagekraft zum Ziegel untersucht. So galt es die Philosophie des Unternehmens eine Verbindung aus „Hightech und dem Wissen der alten Brennmeister“ zu generieren und eben genau nach diesen Werten zu arbeiten.
Für den Eingangspavillon sollte auf eine Konstruktion zurückgegriffen werden, bei der eine möglichst dünneZiegel-Schale durch ein innenliegendes Carbontextil verstärkt wird. Dabei soll die Konstruktion eine Materialstärke von insgesamt nicht mehr als 7 Zentimetern aufweisen und von außen als reine Ziegelfläche wahrzunehmen sein. Das Carbontextil sowie der Betonmörtel im Inneren der Konstruktion sollen dabei unter der Ziegelschicht verdeckt bleiben.
Ähnlich wie auch die Konzeption eines einzelnen Klinkers, spielt auch bei uns die Wahl des Ziegels, die Ausbildung der Fugen und die skulpturale Form an sich eine gestaltprägende Rolle.
In den einzelnen Gruppen werden die Entwürfe grafisch sowie an Hand von Modellen aufgearbeitet. Aus dieser Auswahl wurde dann ein Entwurf für die weitere Bearbeitung und Umsetzung ausgewählt.
So wurde der Entwurfsgedanke einer zweifach gekrümmten Schale aufgegriffen und detaillierter ausgearbeitet. Der Entwurf basiert zunächst auf den Ergebnissen der Versuche zur Formfindung und eines einfachen Modells. In der Gruppe galt es diese Form nun mathematisch zu optimieren und an verschiedene Parameter wie Spannweite, Durchgangshöhe und Weite sowie diverser Leitkurven anzupassen. Nach der Ausarbeitung der Form hinsichtlich der rein ästhetischen Betrachtung, geht es bereits an erste Voruntersuchungen im Bereich der Kräfteverläufe innerhalb der Schale sowie die Frage der Machbarkeit im Hinblick auf die markanten Auskragungen. Um die Schale statisch berechnen zu können müssen außerdem Versuche zum Verhalten des Materialaufbaus durchgeführt werden. Dazu werden spezielle Versuchskörper für die einzelnen Labortests in Zusammenarbeit mit der Materialprüfstelle am Paulusplatz in Trier benötigt. Die Versuche wurden mit Unterstützung von Prof. Timo Schatz begleitet. Diese müssen zunächst gründlich geplant und anschließend gebaut werden. Parallel dazu geht es an die genaue Ausarbeitung des digitalen Entwurfs. Die schematische Schale muss an das Ziegelraster angepasst werden und ein Verlegeplan für die einzelnen Steine erstellt werden.
Ziel ist es eine möglichst dünne und somit effiziente Schale aus Ziegel und Textilbeton zu entwickeln. Als Maß hierbei gilt das klassische Format eines Klinkers. Somit wird versucht sich hinsichtlich der Materialstärke eben auf die Höhe eines einzelnen Ziegels zu beziehen. Wie oben erwähnt wurde eine Schalen-Dicke von etwa 7 bis 7,5 Zentimetern vorgegeben. Da der Materialverbund sowohl Zug- als auch Druckkräfte aufnehmen muss, kann die Konstruktion nicht durchgehend aus Ziegel gemauert werden. Es muss also im Inneren mindestens eine Lage eines Carbongewebes mit Textilbetonmörtel eingearbeitet werden. Dies soll für unseren Entwurf jedoch nach Außen hin nicht sichtbar sein. Für den Betrachter soll lediglich eine „einfache“ Ziegelkonstruktion sichtbar sein. Hierzu werden Spaltklinker von rund 3 Zentimeter Materialstärke verwendet. Deren Rippenstruktur im Inneren bietet sich als Oberflächenvergrößerung an, um sie möglichst fest mit der Mörtelschicht im Inneren der Konstruktion zu verbinden. So bleibt Platz für ein circa 1 bis 1,5 Zentimeter dickes Mörtelbett. In diesem Textilbetonmörtel liegt wiederum das Carbontextil. Während die Ziegel und Mörtelmasse lediglich auf Druckkräfte beansprucht werden kann, sorgt das innenliegende Textil dafür, dass die Zugkräfte am Oberen Grad der Schale aufgenommen werden. Die anstehenden Laborversuche mit den eigens dafür hergestellten Versuchsplatten sollen eben dieses Verhalten bei Druck, sowie Zugbeanspruchung veranschaulichen. Wichtig für uns ist ebenfalls das Verlegemuster. Dieses soll nicht nur optischen und ästhetischen Ansprüchen entsprechen. Es gilt außerdem zu überprüfen, ob dieses Raster beziehungsweise Verlege-Muster einen Einfluss auf das statische Verhalten der Versuchsplatten nimmt. Um den Eindruck der durchgehenden Ziegel möglich zu machen, muss der untere Verlegeplan auch der späteren oberen Ziegelschicht entsprechen. Nach einer ersten statischen Analyse durch den renommierten Bauingenieur für Schalenkonstruktionen Stefan Polónyi aus Köln, entstand die Idee, die Konstruktion auf Grund ihrer enormen Leistunsgfähigkeit in Form von Ziegelfertigteilen vorzufertigen.
Aus dem mit der Zeichensoftware Rhino 5 erstellten 3D-Modell war es möglich zunächst ein einfaches Schalenmodell zur Visualisierung und Präsentation der Entwurfsidee gegenüber der Firma Hagemeister herzustellen. Es bot sich an, dieses auf Grund der komplexen zweifach gekrümmten Form mittels 3D-Druckverfahrens zu fertigen.
An der Hochschule wurden kurz zuvor in Fachbereich Architektur zwei 3D-Drucker bereitgestellt.
Mit Hilfe des 3D Modells wurde anschließend auch das Schalungsgerüst für die Realisierung im Maßstab 1:1 entworfen. Dieses besteht aus einem orthogonalen System aus Längs- und Querrippen, die mittels Steckverbindungen präzise aufgebaut werden können.
Nach Fertigstellung der Detailplanung, des Bauantrages bei der Gemeine Coesfeld und der Statik, wurden dann zu Beginn des Sommersemesters 2018 aus großformatigen OSB-Platten mit Hilfe der hochschuleigenen Portalfräse am Paulusplatz die einzelnen Schalungs-Teile millimetergenau vorbereitet. Anschließend wurden alle für den Bau benötigten Materialien in die Werkhalle der Hochschule im Industriepark Region Trier in Föhren gebracht und der Aufbau der Schalung konnte beginnen. Ab diesem Zeitpunkt hat sich die Projektgruppe aus rund 15 Studenten um Prof. Böhm und Martin Kleppe mehrmals wöchenlich für einen reibungslosen Ablauf bezüglich der Herstellung getroffen.
Wir haben beschlossen die Schale aus 5 einzelnen Fertigteilen zu bauen, die in der Größe den Transportmöglichkeiten auf dem LKW angepasst waren. Diese werden mit den entsprechenden Nahtbereichen für den späteren Aufbau und das Vermauern auf dem Gelände des Klinkerwerks vorbereitet. Zum Start des Wintersemesters sind die Arbeiten in Föhren abgeschlossen und die einzelnen Elemente demontiert und für den Transport mit LKWs nach Nottuln auf den Schalunsggerüsten gesichert.
Im Rahmen der Interdisziplinären Projektwoche 2018 war die Gruppe dann vor Ort mit der Installation und Positionierung der einzelnen Elemente auf dem bereits, eigens für die Ziegelschale, fertiggestellten Platz vor dem Klinkerwerk beschäftigt. Nun galt es noch die Nahtbereiche zwischen den einzelnen Fertigteilen zu schließen und den keilförmigen Sockel, der die Schale mit dem vorgefertigten Fundament verbindet, zu modellieren. Nachdem der Ziegelverband und der Betonmörtel ausreichend ausgehärtet waren, konnte in einem weiteren Termin vor Ort das Holzgerüst zunächst um einige Zentimeter abgesenkt und anschließend unter der Schale herausgezogen werden. Zu diesem Termin war der Statiker Prof. Stefan Polónyi eigens angereist.
Als die Ziegelflächen von überschüssigen Mörtelresten gesäubert und die Innenseite der Schalenfläche punktuell nachverfugt worden waren, konnte die Einweihung der Ziegelschale schließlich am 30. November 2018 im Rahmen eines Vortrags von Prof. Böhm stattfinden. Dazu waren neben Vertretern der Gemeinde Nottuln und der örtlichen Baubehörde, auch Mitglieder des BDA geladen.
Dieser Bau war nicht nur von der Fa. Hagemeister sondern auch von der Fa. StoCrete, die den Hochleistungsmörtel gestiftet hat und der Fa. Fraas, die das Textil zum Sonderpreis geliefert hat, und Fa. Breit Baustoffe, die das Projekt mit wichtigen Baustoffen und Werkzeugen ebenfalls zum Sonderpreis zur Verfügung gestellt hat, gesponsort worden. So haben wir uns gefreut, dass zur Einweihung beispielsweise Herr Reul von der Fa. StoCrete es sich nicht nehmen lassen hat dabei zu sein.
Als Vertreter von Seiten der Hochschule nahmen einigen Professoren sowie die Studenten des ersten Bachelor Semesters im Rahmen einer MaterialTour an der Eröffnung teil. Darüber hinaus waren die an der Umsetzung beteiligten Studierenden, sowie die Studenten des Folgeprojekts zur Besichtigung der Ziegelschale eingeladen.
Mit den Worten „Es ist optisch ein Wahrzeichen, auf das wir sehr stolz sind“, eröffnet Frau Dr. Christina Hagemeister die Veranstaltung und beschreibt den für sie sehr spannenden Weg, die Anwendungsbereiche ihrer Klinker neu miterleben zu können.
Die Studenten konnten dabei den Prozess von der ersten Bleistiftskizze und ersten experimentellen Modellen, sowie den Laborversuchen, über den Bauantrag bei der örtlichen Gemeinde und der Fertigung eines komplexen Schalungsgerüsts bis hin zur Fertigstellung mitgestalten.
Experimentelle Ziegelschale
Studierende Architektur
Betreuuer
Prof. Peter Böhm
Martin Kleppe
Projekttyp
Forschung
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