LICHT UND LUFT

Ab der Mitte des 19. Jh. erlebte die Stadt im Zuge der Industriellen Revolution einen wirtschaftlichen Aufschwung und wurde ein Zentrum der industriellen Entwicklung Spaniens, wodurch Reichtum und politischer Einfluss in die Region zurückkehrten. Dadurch erfuhr die Stadt zum einen Wachstum und wirtschaftliche Blüte, zum anderen verschärften sich die Gegensätze zwischen der reichen Großbourgeoisie und der verelendeten Arbeiterschaft. Die Altstadt des Raval galt als die am dichtesten bebaute Hüttensiedlung weltweit. Dunkle, feuchte und überfüllte Wohnungen, stickende und offene Abwässerkanäle und unzureichende Versorgung mit sauberem Trinkwasser verursachten eine Vielzahl von Choleraund anderen Epidemien. Die durchschnittliche Lebenserwartung lag bei unter 30 Jahren. Das Motiv „Licht und Luft“ prägt dementsprechend die meisten der städtebaulichen und architektonischen Entwicklungen der Stadt ab dem 19. Jahrhundert, wir finden die Bemühungen, hygienische und lebenswerte Wohnverhältnisse zu schaffen in einer Vielzahl von Projekten wieder, die wir im Rahmen dieser Exkursion sehen. Das durch den wirtschaftlichen Aufschwung induzierte schnelle Wachstum der Bevölkerung zu Beginn des 19. Jh. von 83.000 Einwohnern auf 187.000 und die damit einhergehende Überbevölkerung erforderte eine großangelegte Stadterweiterung. Cerdà entwarf das Leitbild einer klassenübergreifenden Stadt, die jedem ihrer Bewohner gleiche Voraussetzungen bereitstellen sollte. Sein Erweiterungsplan „Eixample de Barcelona“ sieht ein Schachbrettmuster von viergeschossigen, achteckigen Blockstrukturen vor mit für die Stadtplanung des 19. Jh. außergewöhnlich breiten Straßen von 20, 30 oder 60 m. Durch diese Struktur konnte großzügige Belichtung und Belüftung für alle Bewohner*innen gewährleistet werden. Nach der Weltausstellung 1888 prägt erstmal eine andere Ausrichtung die Architektur der Stadt: Der katalanische Modernisme. Repräsentation und Dekoration stehen im Vordergrund. Die Wohngebäude, die in den folgenden Jahren am mondänen Passeig de Gracia entstehen, zeugen ebenso davon wie die Textilfabrik für Casimir Casaramona, heute als Museum genutzt. Zu den bekanntesten Repräsentanten dieses Baustils zählen Lluis Domènec i Montaner und Antoni Gaudì. 1929 wird Barcelonas Avantgarde international: Der junge Studente Josep LLuis Sert reist wie einige andere spanischen Kommilitonen nach Paris, Dessau und Berlin und lernt dort die neuen Strömungen wie Architekturlehre Le Corbusiers und das Bauhaus kennen. In Barcelona werden die Mitglieder der GATCPAC um Sert und Josep Torres Clavé werden zu Begründern der Moderne in Katalonien. Ihr Sujet ist wieder die Schaffung hygienischer Lebensverhältnisse für alle Bewohner*innen, die bekanntesten Projekte dementsprechend der soziale Wohnungsbau die „casa bloc“ und das Tuberkulosekrankenhaus. Im Zuge des „Forum 2004“ wurde 7 im Wesentlichen die Neuausrichtung des Industrie- und Hafenviertels Poble Nou vorangetrieben. Internationale Namen wie Jean Nouvel oder David Chipperfield bauten Stadt-Silhouetten-prägende Großprojekte. Gleichzeitig entwickelte sich eine sensible, autochtone Architekturhaltung, vertreten z.B. durch das Büro BAAS von Jordi Badia. Nach der „Crísis“, der Finanzkrise von 2008, die die spanische Immobilienwirtschaft vollständig zum Erliegen brachte, erholte sich der Bausektor erst in der zweiten Hälft e der Zehner-Jahre wieder. In den letzten Jahren entstanden eine Vielzahl innovativer Projekte, die neben dem grundlegenden Thema – die Schaffung bezahlbarer, lebenswerter Wohnverhältnisse (die sozialen Wohnbauten z.B. von Peris+ Toral oder LaCol) – den Fokus auf den sensiblen Umgang mit Bestand (z.B. die beiden Bürgerzentren von Harquitectes) legen.

Exkursion Barcelona 2023

Studierende Architektur

Betreuuer
Prof. Petra Riegler-Floors
Prof. Matthias Sieveke
Prof. Peter Böhm
Prof. Oskaer Spital-Frenking
Prof. Daniel Berger
i. V. Prof. Christoph Klanten

Projekttyp
Exkursion

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