Preisträger BDA-Studienpreis Rheinland-Pfalz 2021
Timo Löw
Dominik Marx
Betreuer
Prof. Dr. Wieland Becker
Prof. Jan-Hendrik Hafke
Prof. Robert Thum
Projekttyp
Preis
Aufgabenstellung
Im Gerberviertel südlich der Trierer Innenstadt, in unmittelbarer Nähe zu den Kaiserthermen und zum Stadtbad, soll im Rahmen der städtebaulichen Quartiersentwicklung als Leuchtturmprojekt über Trier und die Region hinaus ein mehrgeschossiger Holzbau entstehen. Das neue Viertel soll, neben dem Wohnen, schwerpunktmäßig Raumangebote für kleingewerbliche Nutzungen bereitstellen und so auch einen wichtigen Beitrag zur Fragestellung leisten, wie wir in Zukunkt innerstädtisch Wohnen und Arbeiten werden. Dabei kann der Baustoff Holz einen wichtigen Beitrag zur Attraktivität und Fortschrittlichkeit leisten. Die Nutzungsangebote sollen dabei sowohl gemeinschaftliche bzw. gewerbliche Nutzungen im Erdgeschoss, als auch eine Büronutzung im Obergeschoss und Wohnangebote in den darüber liegenden Bereichen umfassen.(...)
Entwurfskonzept
Das zu behandelnde Areal des Gerberviertels ist geprägt von einem heterogenen städtebaulichen Kontext. Klein- als auch großkörnige Bebauungsstrukturen wechseln sich ab. Begrenzt wird das Quartier im Westen durch die Saarstraße sowie im Osten durch die Gerberstraße, die gleichzeitig die Haupterschließungen des Grundstückes darstellen. Zwei Nebenachsen bilden weitere Zugänge auf das Areal. Während das Gewerbe und der Handel vorrangig im Osten angesiedelt sind, beschränkt sich das Wohnen auf den Westen.
Ziel des neuen urbanen Quartiers ist es, eine adäquate Verknüpfung der Nutzungen sowie der Bebauungstypolgien herzustellen und zu fördern. Der Städtebau adaptiert die charakteristische Hallentypologie der 1-geschossigen Satteldachbauten zu neuen Hof- und Winkelhofanlagen mit Ausbildung von Hochpunkten als Markierung der Hauptachse zwischen Saarstraße und Gerberstraße. Alternierende Hof- und Platzsituationen rhytmisieren entlang dieser Achse. Die halle+ kombiniert Wohnen, Arbeiten und Handel als Quartiersmittelpunkt und stellt eine Lösung für die Entwicklung eines urbanen Viertels ohne funktionalistische Ordnung dar. Der 5-geschossige Holzhybridbau mit Dachterrasse entwickelte sich unter der Maxime der Flexibiltät und Nutzungsoffenheit. Die Dachlandschaft der Hallenstruktur greift gestalterisch als auch konstruktiv in Form eines Fach- bzw. Raumfachwerkes in den Hochpunkt und verbindet ihn zu einer Einheit. Basierend auf einem Konstruktionsraster von 10m x 6m im Erdgeschoss verringert sich der ab dem 2.Obergeschoss beginnende Holzbau auf ein Grundraster von 5m x 6m.
Das Erdgeschoss ist als Erweiterung des gemeinschaftlichen Außenraums zu betrachten und fungiert als multifunktionale Stadtloggia und Werkraum - als Makerspace, Veranstaltungsraum oder Markthalle. Der Co-Working Bereich im Zwischengeschoss fungiert als mobiler Arbeitsplatz mit direkten Kontakt und Austausch zum Werkraum. Robuste und rohe Materialien aus Beton und Stahl kommen hier zum Einsatz.
Das Co-Living des 2. und 3.OG dient als gemeinschaftliche und zukunftsfähige Wohnform und wird durch den alternierenden Gemeinschaftsbereich mit kleineren Ruhe- und Rückzugszonen gen Norden, sowie einer Aufweitung mit Gemeinschaftsküche im Süden gekennzeichnet. Die Individualräume sind als Mikro- und WG-Wohneinheiten konzipiert, können bei Bedarf aber auch zu größeren Einheiten zusammengeschlossen werden. Jede Einheit ist mit kleiner Teeküche und Individualbad ausgestattet. Zwei mit Polycarbonatplatten verglaste Loggien im Nord-Osten sowie Süd-Westen bieten einen ganzjährlich nutzbaren gemeinschaftlichen Außenraum. Die Individualräume lassen sich über Schiebefenster zum Freiraumzimmer ausbilden. Die Wohn-und Ateliergeschosse im 4. sowie 5.OG bieten unterschiedliche Wohntypologien in Größenordnungen von 30m2 - 75m2. Jede Wohneinheit verfügt über eine private Loggia. Die vorherrschende Materialität in den Wohngeschossen ist Holz. Brettsperrholzelemente der Decken und Zwischenwände sind sichtbar belassen. Eine von der Hausgemeinschaft flexibel nutzbare Dachterrasse bildet mit öffenbaren Schiebeelementen aus Polycarbonat den räumlichen Abschluss des Baukörpers. Die Fassade ist als Elementfassade der Konstruktion vorgesetzt. Vertikale und horizontale Rahmenelemente gliedern und rhytmisieren. Kalt- und Warmräume sind in der Fassade in unterschiedlicher Textur als tranparente oder transluzente Verglasung ablesbar. Fallarmmarkisen als Blend- und Sonnenschutz beleben und akzentuieren mit ihrer farblichen Gestalt.
Beurteilung der Jury - BDA-Studienpreis Rheinland-Pfalz 2021
Die Arbeit beschäftigt sich zunächst auf städtebaulicher Ebene mit der Verdichtung des Trierer Gerberviertels, einem heterogenen Umfeld von Wohnen, Gewerbe und Handel. Die durchdachte Abfolge mehrerer neuer Gebäude und Freiräume im Blockinneren der historischen Struktur orientiert sich typologisch an dieser: es werden eingeschossige Hallenbauten mit Satteldach sowie punktuell höhere Gebäude vorgeschlagen. Diese Bebauung erlaubt eine innerstädtische Mischung von Wohnen und Arbeiten (Kleingewerbe) in aktueller Form.
Das vertiefend bearbeitete Gebäude ist konstruktiv reizvoll: die erdgeschossige, offene Halle besteht aus Stahlbetonstützen und dreieckigen Dachbindern als Hallentragwerk, welches unter dem neuen Wohnturm umgedreht wird, so dass es die unterste Geschossdecke - eine Trapezblech-Stahlbeton-Verbundkonstruktion -trägt. Der Wohnturm selbst ist als Holzkonstruktion mit stringentem Raster darauf gestellt. Es werden verschiedene Grundrisse nachgewiesen; so leisten zwei Geschosse mit Clusterwohnungen einen Beitrag zum zeitgenössischen Wohnen, zwei weitere Geschosse bieten Atelierwohnungen an. Eine gemeinschaftlich nutzbare, baulich gefasste Dachterrasse bietet unterschiedlich gestaltete Aufenthaltsbereiche. Auch die Freiraumgestaltung auf Erdgeschossniveau ist ansprechend.
Dieser frische Beitrag löst seinen Anspruch, ein Leuchtturmprojekt zu sein, auf vielfältige Weise ein: durch städtebaulich sensibles Vorgehen, die Schaffung von nutzungsoffenen, flexiblen Strukturen sowie eine nachhaltig gestaltete Detaillierung. Nicht zuletzt die sympathische Darstellung der lebendigen, improvisierten Nutzung verleiht dem Projekt seine Preiswürdigkeit.
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